Heimkino-Tipp: „Warfare“ (2025)

No Way Out

Der Brite Alex Garland scheint ein Händchen dafür zu haben, aktuelle Themen stets ein wenig im Voraus erahnen zu können, um dann pünktlich inmitten gesellschaftlicher Diskussionen darüber seine Werke quasi als Argumentationshilfe beisteuern zu können. So geschehen bei „Ex-Machina“ (2014, zum Thema KI), „Men“ (2022, männliches Dominanzdenken) oder zuletzt „Civil War“ (2024) über einen Bürgerkrieg in den USA, ausgelöst von einem Präsidenten, der seine Amtszeit eigenwillig verlängert.

Bei „Warfare“ nun verhält es sich ein wenig anders: Der Film greift ein Ereignis aus dem Jahre 2006 auf, bei dem U.S. Navy SEALS, eine militärische Spezialeinheit der US-Streitkräfte, in einen erbitterten Häuserkampf im Irak verwickelt wurden und nur unter Verlusten teilweise gerettet werden konnten. In Echtzeit erzählt, verweilt die Handlung/Kamera komplett an der Seite der westlichen Soldaten, während ihre Gegner lediglich aus der Entfernung gezeigt werden.

Unabhängig von der Qualität der filmischen Umsetzung bewegen sich solche Werke oftmals auf dem schmalen Grat zwischen Kriegsverherrlichung und dumpfem Patriotismus einerseits und schmerzhafter Abrechnung mit Waffengewalt und Entmenschlichung andererseits. „Warfare“ ist da keine Ausnahme und kann je nach ,Gesinnung’ seines Publikums auf beide Arten gelesen werden: Als Loblied auf Kameradschaft und gegenseitige Unterstützung in lebensgefährlichen Situationen oder als flammender Appell gegen die Überheblichkeit amerikanischer Besatzer, die für ihre Taten bestraft werden. Ganz gleich jedoch, für welche Interpretation mensch sich entscheidet: So nah an der Kriegsrealität waren bisher nur wenige Filme.

Die Truppe um den befehlshabenden Erik (Will Poulter) dringt nachts in ein Wohnhaus zweier irakischer Familien ein und besetzt dieses mit dem Auftrag, Gebäude der Umgebung zu observieren und mögliche Al-Qaida-Kämpfer zu identifizieren. Ihre Anwesenheit bleibt jedoch nicht unbemerkt und schon bald darauf wird das Haus angegriffen. Eine Flucht scheint unmöglich, eine Rettung von Außen ebenso. Während sich die Kämpfe intensivieren, versuchen die Soldaten einen kühlen Kopf zu bewahren – und schlicht zu überleben.

Psychologischer Druck, schmerzhafte Verletzungen, konstanter Gefechtslärm und Schreie, die bis ins Mark gehen: „Warfare“ katapultiert sein Publikum inmitten eines Albtraums. Routinierte Handgriffe der Soldaten geraten aus dem Tritt, die anfängliche Langeweile während der Observierung weicht beständiger Angst, in der nächsten Sekunde zu sterben. Was im Horror- oder Thrillergenre perfekte Zutaten für ein gelungenes Filmerlebnis wären, erweist sich beim quasi-dokumentarischen „Warfare“ als Geschmäckle – denn was hier präsentiert wird, geschieht mit hoher Wahrscheinlichkeit genau in diesem Moment (nicht nur) an den Außengrenzen Europas. Dass der Film zudem die zivile Bevölkerung nur in wenigen Szenen integriert und sich komplett auf das Schicksal der Soldaten fokussiert, hilft ebenso wenig dabei, das klare Anliegen dieses Streifens zu deuten. Denn letztendlich sind die Amerikaner die Besatzer eines fremden Landes, wählen sich gewaltsam ein Mehrfamilienhaus als Operationszentrale aus und nehmen die Gefahr für die irakischen Zivilisten ohne weiteres in Kauf. Dass von deren Besitz und Unterkunft nach 90 Minuten nichts mehr übrig ist, spielt keine Rolle.

Nun halte ich Regisseur Garland für zu intelligent, um lediglich eine Lobhudelei für die Navy SEALS präsentieren zu wollen. Tatsächlich gelingt es durch den begrenzten Handlungsort und das beeindruckende Sounddesign, die Hölle Krieg fühlbar zu machen. Doch wozu? Nichts, was „Warfare“ als Aussage zurücklässt, ist neu. Nichts, was die Kämpfer auf beiden Seiten des Schlachtfelds tun, erweckt Mitgefühl oder Bewunderung. „Das erste Opfer des Krieges ist die Unschuld.“, lautete schon 1986 die Tagline des vierfach mit dem Oscar ausgezeichneten Vietnam-Kriegsfilms „Platoon“. Dem hat auch Garland (und Co-Regisseur Ray Mendoza, auf dessen Erinnerungen der Film basiert) nichts hinzuzufügen. „Das zweite Opfer des Krieges sind die Zivilisten.“, wäre meine Ergänzung. Doch das ist in „Warfare“ nicht von Belang.

So bleibt ein Film zurück, der gleichsam Mutmacher wie Kritiker sein will (oder soll?), technisch herausragend daherkommt und doch keinerlei neue Erkenntnis bringt. Aber das trifft ja auch auf jeden neuen bewaffneten Konflikt zu, den die Bestie Mensch von Zaun bricht.

Die DVD/Blu-ray/4K Ultra HD bietet den Film in englischer Original- sowie deutscher Synchronsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Bonus gibt es eine kurze Werbe-Featurette und Trailer. „Warfare“ erscheint bei Leonine und ist seit 1. August 2025 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Leonine)

Heimkino-Tipp: „Flow“ (2024)

Das Arche-Noah-Prinzip

Zweifellos gelten vor allem die Produktionen aus dem Hause Pixar als Vorreiter für die Entwicklung von Animationsfilmen. Schaut mensch sich deren Werke in chronologischer Reihenfolge an, sind die technischen Sprünge nach vorn nicht zu übersehen.* So verwundert es kaum, dass diese wunderschön anzusehenden Filme regelmäßig bei den Oscars abräumen, sich aber gleichzeitig die Pixar/Disney-Konkurrenz inzwischen ebenso nicht mehr lumpen lässt und Preise einheimst.

Umso überraschender, was da 2025 bei den Academy Awards bei der Verleihung des Goldjungen für die Kategorie „Bester animierter Film“ geschah: Statt Pixars „Alles steht Kopf 2“ oder dem neuesten Knetabenteuer von „Wallace & Gromit“ hieß es plötzlich „And the winner is … ‚Flow‘!“ Dies ist insofern bemerkenswert, da dies nicht nur den ersten Oscar-Gewinn für Lettland darstellt, sondern „Flow“ ein unabhängig produzierter Animationsfilm ist, der ausschließlich mit einer frei zugänglichen Gratissoftware namens Blender entstand. Dass diese nicht in allen Aspekten so ‚perfekte‘ Bilder wie beispielsweise die der Hollywood-Studios generiert, mag für verwöhnte Genre-Fans anfangs möglicherweise irritierend wirken. Doch passt diese ‚unvollkommene‘ Optik ganz hervorragend zum Inhalt dieses bewegenden Meisterstücks.

Erzählt aus dem Blickwinkel einer Katze, folgt die Geschichte ihrem Weg durch eine Welt, die überflutet wurde und keine Menschen mehr beherbergt. Das Haus, in dem die Samtpfote bisher gelebt hat, fällt nun dem steigenden Wasserpegel zum Opfer, sodass sie fliehen muss – und in einem Segelboot landet, das bis dato nur ein Wasserschwein beherbergt. Auf ihrer Fahrt durch eine Landschaft, in der nur noch einzelne Ruinen von Bauwerken an frühere Zeiten erinnern, stoßen sie auf weitere Tiere, die sich ihnen anschließen: einem Labrador, einem Äffchen und einem Sekretär(-vogel).

Das Besondere an „Flow“: Der Film kommt ganz ohne Dialoge aus und vermenschlicht seine Charaktere nicht. Sie kommunizieren lediglich so, wie es sie es auch in unserer Realität tun: mittels Miauen, Bellen, Quicken und Grunzen und ihrer Körpersprache. Sie agieren zudem nachvollziehbar (weil natürlich) und in einer Art und Weise, die der Mensch ihnen bis heute leider vornehmlich abspricht: Mit einer Seele (Dass Tiere sehr wohl zu bewusstem und überlegtem ‚Handeln‘ fähig sind, beweisen nicht nur unzählige Videos auf diversen Videoplattformen).

Doch Regisseur Gints Zilbalodis hat mehr im Sinn als ein niedliches Filmchen mit süßen Tieren: Er zeigt auf beeindruckende Weise, wie ein Neben- und Miteinander unterschiedlicher Wesen, Arten und ‚Sprachen‘ funktionieren kann und muss, auch wenn es verschiedene Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Charaktere gibt. Diese Botschaft ergänzt die oben erwähnte, nicht immer perfekt aussehende Animation treffend – denn wer ist das schon?

„Flow“ ist gespickt mit etlichen Andeutungen zur heutigen Weltlage (Flüchtlingsbewegung, Klimakrise, Naturzerstörung), enthält biblische Verweise und viel Symbolik, die sicherlich vornehmlich ein erwachsenes Publikum ansprechen. Gleichzeitig ist die dialoglos vermittelte Message von Teamwork, Gemeinschaft und Akzeptanz auch für Kinder leicht zu deuten und macht „Flow“ zu einem überaus sehenswerten Familienfilm.

*Als Beispiel möchte ich hierfür die DVDs „Pixars komplette Kurzfilmsammlung“ empfehlen, von denen es inzwischen drei Teile gibt.

Da es sich um einen Dialog-losen Film handelt, gibt es auf den Blu-ray- und DVD-Editionen keine Sprach- und Untertitelauswahl. Als Extras enthalten die Discs zwei frühere Kurzfilme des Regisseurs und Trailer. „Flow“ erscheint bei MFA+ FilmDistribution e.K. im Vertrieb von AL!VE und ist seit 17. Juli 2025 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © MFA+/Dream Well Studio/Sacrebleu Productions/Take Five)

Heimkino-Tipp: „Eden“ (2024)

The horror, the horror.

Es klingt so romantisch: Der Welt und seinen Menschen entfliehen, hinaus auf eine abgelegene Insel im Warmen, um dort in liebevoller Zweisamkeit bis ans Ende der Tage zu leben. Wirklich zu leben. Diesen Traum erfüllten sich Ende der 1920er-Jahre der Berliner Arzt Adolf Ritter und dessen Lebensgefährtin, die Lehrerin Dore Strauch, als sie sich auf der zum Galápagos-Archipel zählenden und damals noch unbewohnten Insel Florena niederließen. Abseits der Weltwirtschaftskrise, jedweder Zivilisation und den Errungenschaften der modernen Medizin, lebten sie dort als Selbstversorger und ließen den Rest der Welt durch Zeitungsartikel an ihrem scheinbar paradiesischen Leben teilhaben. Die Folge: Neben etlichen (vornehmlich reichen) Touristen zog es auch immer wieder Nachahmer nach Florena, von denen sich aber nur die Familie Wittmer langfristig den alltäglichen Strapazen stellte und mit ansiedelte. Kurz darauf folgte noch eine zweite Gruppe um eine selbst ernannte Baronin – und die fragile Gemeinschaft wurde sukzessive zur Kampfarena.

Der zweifache Oscar-Preisträger Ron Howard („A Beautiful Mind“, „Apollo 13“, „The Da Vinci Code – Sakrileg“) hat sich dieser wahren Geschichte nun angenommen – und hierfür eine bemerkenswerte Besetzung gewinnen können: Jude Law, Vanessa Kirby, Ana de Armas, Daniel Brühl und Sydney Sweeney lieben, streiten, provozieren und bekämpfen sich (in jeweils unterschiedlichen Konstellationen) als die oben genannten fünf Protagonisten. Dass es dabei in allen Aspekten stets sehr körperlich und freizügig zugeht, darauf sollten die FilmgenießerInnen gefasst sein. So führt Law alias Ritter eine ganze Dialogszene im ‚Adamskostüm‘, knutscht und fummelt de Armas alias Baroness Eloise Wehrborn de Wagner-Bosquet mit gleich zwei Kerlen gleichzeitig und wird Kirby alias Strauch ein fauler Zahn mit der Zange gezogen. So ein Inselleben ist eben kein Ponyhof.

Howard inszeniert diese Robinsonade von Anfang an wenig beschönigend und lässt auch anhand seiner Bildsprache (Kamera: Mathias Herndl) keinen Zweifel daran, dass sich hier die Bestie Mensch nicht nur selbst zerfleischt, sondern sich ebenso die Natur egoistisch Untertan macht und zielstrebig auf eine Katastrophe zusteuert. Die (reale) Einbettung in die 1930er-Jahre und die Tatsache, dass es sich um Deutsche handelt(e), geben der Geschichte eine zusätzliche bittere Note, wenn mensch bedenkt, was wenige Jahre später weltpolitisch geschah.

Schauspielerisch gibt es bei den hier versammelten Profis ohnehin nichts zu meckern. Vielmehr freut es mich zu sehen, dass Felix Kammerer, der sich vor kurzem erst in der vierfach Oscar-prämierten Neuverfilmung von „Im Westen nichts Neues“ auf die Bühnen der Welt spielte, nun bereits in so prominenter Umgebung wieder auf der Leinwand zu sehen ist (und gleich mal mit Ana de Armas rummachen darf, this lucky bastard!).

Mag „Eden“ an manchen Stellen – vor allem zu Beginn – noch etwas gehetzt wirken, so gelingt es Howard mit Leichtigkeit, allen (Haupt-)Figuren im weiteren Verlauf Profil und Gravitas zu verleihen und ihren ambivalenten Rollen in dieser faszinierend-erschütternden (wahren) Geschichte der ‚Galápagos-Affäre‘ gerecht zu werden. Ein finsteres, sehenswertes Filmerlebnis!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in englischer Original- sowie deutscher Synchronsprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional zuschaltbar. Als Bonus gibt es Trailer. „Eden“ erscheint bei Leonine und ist seit 18. Juli 2025 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Leonine)

Heimkino-Tipp: „Die 12 Geschworenen“ (1957)

Ansichtssache

Ein Blick auf tagesaktuelle Nachrichten genügt um zu wissen, dass politisch unabhängig getroffene Gerichtsentscheidungen im Jahre 2025 mehr denn je unter Beschuss geraten. Denn wenn sich amerikanische Präsidenten mal eben über gefällte Urteile hinwegsetzen oder deutsche Innenminister diese in Zweifel ziehen, sollte jedem klar sein, dass selbst sicher geglaubte Demokratien in Gefahr sind. Umso wichtiger sind Plädoyers wie „Die 12 Geschworenen“, die differenziert, nachvollziehbar und nicht belehrend, sondern mitreißend davon erzählen, wie wichtig eine vorurteilsfreie Rechtsprechung ist. Und wie glücklich sich Demokratien schätzen können, diese zu besitzen. Sie verbal anzugreifen oder gar zu ignorieren, stellt einen Tabubruch dar, dessen Folgen nur schwer abzuschätzen sind.

Allein die Tatsache, dass „Die 12 Geschworenen“ aus dem Jahr 1957 stammt zeigt, wie zeitlos und wichtig die stetige Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist. Der Debütfilm von Sidney Lumet („Serpico“, „Hundstage“, „Network“) erhielt seinerzeit drei Oscar-Nominierungen, u.a. als ‚Bester Film.‘ Das als Kammerspiel inszenierte Drama dokumentiert, gefühlt in Echtzeit, ein Gespräch von 12 Männern, die sich im Anschluss an einen Mordprozess in ein Hinterzimmer des Gerichts zurückziehen, um über Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu entscheiden. Wird der vermeintliche Mörder schuldig gesprochen, landet er in der Todeszelle. Doch hierfür muss die Entscheidung der Geschworenenjury einstimmig sein – ebenso für einen möglichen Freispruch.

Die Sachlage scheint klar, die vermeintlichen Beweise eindeutig und der Schuldspruch eigentlich nur Formalität. Wäre da nicht der Geschworene #8 (Henry Fonda), der zweifelt. Nicht, weil er den jungen Angeklagten per se für unschuldig hält, sondern weil er die Entscheidung über Tod oder Leben eines Menschen nicht – wie die anderen – im Schnelldurchlauf abhandeln will. „Im Zweifel für den Angeklagten“ ist hier der Schlüsselsatz, der den weiteren Verlauf des Abends prägen soll.

In den folgenden 90 Minuten, in denen keiner der Akteure den engen, heißen und spärlich eingerichteten Raum verlassen darf, entspinnt sich vor den Augen des Publikums ein spannendes Streitgespräch über uneingestandene Vorurteile, zweifelhafte Vermutungen, persönliche Schicksale und (scheinbar) unüberlegte Schlussfolgerungen. Die einzelnen Charaktere spiegeln dabei (fast) die ganze Gesellschaft und ihre Sicht auf die Welt wider, was die Identifikation für die Zuschauer erleichtert. Argumente werden oft sachlich, manchmal emotional ausgetauscht, und wenn es doch einmal respektlos wird, folgt eine Entschuldigung. „Die 12 Geschworenen“ ist somit nicht nur ein interessanter Meinungsaustausch, sondern ebenso ein Musterbeispiel für eine angemessene Diskussionskultur – etwas, was uns heutzutage ebenfalls mehr und mehr verlorenzugehen scheint.

Die herausragende Kameraarbeit von Boris Kaufman ist nicht weniger meisterhaft: Die Enge des Raumes, der Einfall des Lichts oder schlicht die Positionierung der Kamera (aus der Distanz vs. Nahaufnahmen der Gesichter) vermitteln ein sehr konkretes Gefühl der inneren Kämpfe der einzelnen Geschworenen bei deren Urteilsfindung. Dass Regisseur Lumet hier zudem eine sehr naturalistische Darstellung eingefordert hat, kommt dem Film ebenso sehr zugute: Kein Overacting, keine gestelzten Dialoge, keine offensichtliche Unterscheidung zwischen Star (Fonda) und Nebendarstellern (u.a. Lee J. Cobb, Martin Balsam, Jack Klugman) – alle Figuren haben Relevanz und agieren gleichberechtigt.

„Die 12 Geschworenen“ ist, wie eingangs bereits erwähnt, ein zeitloser Film, der sowohl inhaltlich als auch filmisch auch fast 70 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung begeistert und ob seiner Ausgewogenheit erstaunt. Umso schöner, ihn nun mit dieser Neuveröffentlichung in neuem Glanz erleben zu dürfen. Besonderes Schmankerl: Das Mediabook enthält als Zugabe die hierzulande leider kaum bekannte, ebenso prominent besetzte TV-Neuverfilmung von William Friedkin aus dem Jahre 1997.

Die 4K Ultra HD/Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in englischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Deutsche und englische Untertitel sind optional vorhanden. Als Bonus gibt es Audiokommentare, zwei Featurettes zur Entstehung des Films sowie Trailer. Das Mediabook enthält zudem die Neuverfilmung von 1997 und ein informatives Booklet von Kathrin Horster. „Die 12 Geschworenen“ erscheint bei capelight pictures im Vertrieb von Alive AG und ist seit 12. Juni 2025 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc./capelight pictures)

Heimkino-Tipp: „Die Wärterin“ (2024)

Hinter verschlossenen Türen

Wer sich auf einen dänischen Film einlässt, braucht sich um die Qualität gewöhnlich nicht sorgen. Sowohl darstellerisch als auch künstlerisch und vor allem inhaltlich gibt es nämlich bei den Dänen (scheinbar) immer Großartiges zu erleben. Wie machen die das nur? Oder werden uns die weniger guten Streifen einfach vorenthalten und nur die tollen exportiert? Auf „Die Wärterin“ von Regisseur und Autor Gustav Möller („The Guilty“ von 2018, drei Jahre später unter der Regie von Antoine Fuqua mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle für Netflix neu verfilmt) trifft diese Wertung auf jeden Fall zu. Wie hier das persönliche Schicksal einer Person mit moralischen Fragen verbunden und in ein Thrillerdrama eingebettet wird, ist schlicht hervorragendes Filmemachen.

Die Wärterin Eva (Sidse Babett Knudsen) arbeitet in einem Gefängnistrakt, in der ein relativ entspannter Umgang mit den Insassen praktiziert wird. Man grüßt und respektiert sich, auch da die hier einsitzenden Häftlinge meist nur ‚kleine‘ Vergehen abzusitzen haben. Als jedoch ein Neuankömmling (Sebastian Bull) in den benachbarten Hochsicherheitstrakt verlegt wird, lässt sich Eva zur Überraschung ihrer KollegInnen dorthin versetzen. Die Verhaltensregeln hier sind erwartungsgemäß für beide Seiten sehr viel restriktiver ausgelegt, woran ihr neuer Teamleiter Rami (Dar Salim) keinen Zweifel lässt: Wer hier einsitzt, ist kein guter Mensch. Obwohl Eva um die Gefahr, die von den meist muskelbepackten Sträflingen ausgeht, weiß, beginnt sie in den kommenden Tagen in unbeobachteten Momenten sukzessive, Sicherheitsprotokolle zu ignorieren, um dem neuen Häftling näher zu kommen.

Einen großen Teil der spannenden und unerwartet verlaufenden Handlung von „Die Wärterin“ macht das Nichtwissen über den weiteren Verlauf aus. Fühlt sich Eva zu dem jungen Mann hingezogen? Haben sie familiäre Verbindungen? Ist sie womöglich Komplizin eines Verbrechens, für das nur er bestraft wurde? Regisseur Möller und sein Co-Autor Emil Nygaard Albertsen lassen die Antwort auf diese Frage lange in der Schwebe, nur um sie dann umso wirkungsvoller auszuspielen. Dies funktioniert gleich auf mehreren Ebenen beeindruckend: Sowohl als pures Spannungskino – jeder Moment in einer solchen Umgebung ist unvorhersehbar – als auch anspruchsvolles Drama, das den moralischen Zwiespalt der Protagonistin in den Mittelpunkt rückt, da sich ihr (Fehl?)Verhalten unmittelbar auf ihre Umgebung und KollegInnen auswirkt. Dabei vermeidet es Möller, das Verhalten seiner Figuren zu werten und lässt sein Publikum somit selbst und nur anhand der begrenzten Informationen, die es hat, ein Urteil fällen.

Das setzt natürlich ebenso gute Darsteller voraus, die ihre Figuren nuanciert und mehrdimensional präsentieren und innere Konflikte sichtbar transportieren können. Dem Ensemble Knudsen – Salim – Bull gelingt dies formidabel und ich persönlich freue mich ungemein, dass deren Talent inzwischen auch international wahrgenommen und mit Rollenangeboten geschätzt wird.

Mit der Wahl des Bildformats (1.37:1, also quasi rechteckig und mit wenig Sichtbarem an den Rändern) unterstreicht Möller zudem nicht nur die örtliche Begrenztheit der Haftanstalt, sondern ebenso das mentale Gefangensein sowohl der Insassen als auch der Hauptfigur, die in ihrem Handeln weder rechts noch links wahrzunehmen im Stande ist. Ein wunderbares Beispiel für die Symbiose von Form und Inhalt.

„Die Wärterin“ empfiehlt sich für alle, die gern auch im Anschluss über in Filmen aufgeworfene Fragen diskutieren und Freude an realitätsnahen Erzählungen haben. Denn das können die Dänen nämlich ebenso toll: Packende Geschichten kreieren, in denen sich jede/r auf die eine oder andere Weise widerfinden kann.

Die Blu-ray/DVD bietet den Film in dänischer Original- und deutsch synchronisierter Sprachfassung. Deutsche Untertitel sind optional vorhanden. Als Bonus gibt es den Trailer zum Film. „Die Wärterin“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite Entertainment) und ist seit 22. Mai 2025 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Ascot Elite Ent.)

Heimkino-Tipp: „Babygirl“ (2024)

Die Verführte

Hut ab, Frau Kidman! Mit Blick auf ihre lange, erfolgreiche Karriere als Schauspielerin könnte mensch meinen, die inzwischen 57-jährige Aktrice müsse keine Wagnisse mehr eingehen. Und doch überrascht sie immer wieder mit ihrer Rollenauswahl. Im Erotikthriller „Babygirl“ nun als mächtige Führungskraft eines Unternehmens, die einem ihrer Praktikanten verfällt – und dabei auch schon mal auf allen Vieren vor ihm kniend eine Schüssel Milch ausschleckt.

Erfolgreich, wohlhabend und mit einer gesunden Familie gesegnet, könnte Romy (Kidman) eigentlich über nix klagen. Wäre da nicht dieser scheinbar kleine Makel in ihrem ansonsten erfüllten Liebesleben mit Gatte Jacob (Antonio Banderas), der ihr beim Sex nie die volle Erfüllung schenken kann. Versucht Romy anfangs noch, dies mit heimlichem Porno-Gucken zu kompensieren, bietet sich ihr bald darauf eine sehr viel realere Chance, ihre geheimen Sehnsüchte auszuleben. Denn ein neuer Praktikant, Samuel (Harris Dickinson), tritt ihr gegenüber, der Chefin, von Beginn an sehr selbstbewusst und provozierend auf. Irritiert und fasziniert zugleich, riskiert Romy eine Annäherung. Der Beginn einer überaus heiklen Affäre, bei der beide ständig neue Grenzen austesten.

Wer hier einen Abklatsch der „50 Shades of Grey“-Geschichte vermutet, irrt sich: Regisseurin und Autorin Halina Reijn, die sich auch schon in ihrem Debüt „Instinct“ (2019) einer ‚verbotenen‘ Beziehung (zwischen einem inhaftierten Sexualstraftäter und seiner Psychologin) widmete, hat nicht nur eine andere Grundkonstellation der Figuren gewählt, sondern legt von Anfang an den Fokus auf die Begierden ihrer Protagonistin. „Babygirl“ kann (mit Wohlwollen) als Emanzipierung einer bereits emanzipierten Frau gelesen werden, die sich aus ihrer Position der Kontrolle und Macht bewusst dafür entscheidet, diese Kontrolle auf körperlicher Ebene aufzugeben – sich völlig gehen zu lassen, um die sexuelle Erfüllung zu erlangen.

Ihr Gegenpart Samuel ist jedoch nicht einfach nur ein Hecht und Frauenheld (das nur in Teilen), sondern ebenso unsicher und auf der Suche nach Abwechslung, die er bei seiner ‚offiziellen‘ Freundin nicht findet. Diese Szenen des Suchens und Ausprobierens sind tatsächlich die spannendsten im Film, da sie die Unsicherheiten der Charaktere sehr gut offenlegen. Währenddessen mangelt es an anderen Stellen an inszenatorischer und inhaltlicher Raffinesse. So bleibt Banderas’ Figur des hingebungsvollen Ehemanns eindimensional, was zwar einerseits Romys Sehnsucht erklärt, andererseits Jacobs einzigen emotionalen Ausbruch an späterer Stelle zur bloßen Behauptung verkommen lässt.

„Babygirl“ lässt letztendlich viele interessante Ansätze links liegen. Schauspielerisch top, hätte eine Hinwendung zu Fragen von Machtmissbrauch, gegenseitigen Abhängigkeiten und den Auswirkungen auf das persönliche Umfeld dem Film zusätzliche Würze verliehen. Zumal andere, thematisch ähnlich konzipierte Streifen wie beispielsweise das dänische Drama „Königin“ (Regie: May el-Toukhy, 2019), diesen Schritt schon konsequent bis zum Ende gegangen sind.

Doch nichtsdestotrotz: Allein wegen der Kidman und ihrer einmal mehr furchtlosen Performance ist „Babygirl“ einen Blick wert.

Die Blu-ray/DVD-Disc bietet den Film in deutscher Synchron- und englischer Originalsprachfassung. Deutsche Untertitel und Untertitel für Hörgeschädigte sind optional vorhanden. Als Extras gibt es kurze Making of-Clips, geschnittene Szenen, Interviews, einen Audiokommentar und Trailer. „Babygirl“ ist seit 24. April 2025 auch digital bei Constantin Film im Vertrieb von Highlight/Universal erhältlich. (Packshot + stills: © Constantin Film)

Heimkino-Tipp: „We live in Time“ (2024)

A Life (less) ordinary

Eine zu erzählende Geschichte in einem Film nicht linear zu präsentieren, ist immer ein Wagnis. Einerseits, da es beim Publikum beständige Konzentration einfordert – was, seien wir ehrlich, für viele Menschen inzwischen auch im dunklen Kinosaal ein Problem zu sein scheint. Andererseits kann ein so zusammengesetzter Film gnadenlos überflüssige Szenen und inhaltliche Widersprüche entlarven und selbst interessierte Zuschauer schnell überfordern. „We live in Time“ jedoch umschifft diese Hindernisse mit Leichtigkeit.

Tobias (Andrew Garfield) und Almut (Florence Pugh) lernen sich auf recht unkonventionelle Art kennen: Sie fährt ihn über den Haufen. Als ‚Entschuldigung‘ lädt sie ihn nach seiner Genesung in ihr neues, eigenes Restaurant ein – und ist sichtbar positiv überrascht, als er trotz Ehering allein erscheint und von seiner Scheidung erzählt. Was – nicht linear – folgt, ist das Porträt einer großen Liebe und eines gemeinsamen Lebens voller Höhen und Tiefen.

Das Verschachteln der Zeitebenen ist dabei weit mehr als nur kreatives Gimmick: Es verdeutlicht, wie nah Freude und Schmerzen, Glück und Unglück beieinander liegen und wie (positive und negative) Ereignisse der Vergangenheit auch viel später noch Auswirkungen auf den Beziehungsalltag haben können. Regisseur John Crowleys („Boy A“, „Brooklyn“) größter Trumpf jedoch sind seine beiden Hauptdarsteller. Sollte jemals wieder jemand wissen wollen, was sich hinter der Formulierung „onscreen chemistry“ verbirgt: Pugh und Garfield machen es vor. Sie spielen nicht nebeneinander, sondern miteinander. Wirken vertraut und ungekünstelt. Ergänzen einander, verlieren aber dennoch nie die Eigenheiten ihrer Charaktere aus dem Fokus. Ein Genuss!

Dies trifft übrigens ebenso auf diverse Nebenfiguren zu: Sei es der kurz wahrzunehmende, angewiderte Gesichtsausdruck einer Statistin, die eine Schale von Erbrochenem gebeten wird zu entsorgen, oder Douglas Hodge in der Rolle von Tobias’ Vater, der in wenigen Szenen verdeutlicht, wem sein Sohn sein sympathisches Wesen zu verdanken hat.

„We live in Time“ als ‚romantische Komödie für Zwischendurch‘ abzustempeln, würde dem Film und vor allem den Performances nicht gerecht werden. Vielmehr ist Crowleys Werk der gelungene Beweis dafür, dass Romantik, Humor, Anspruch und Realismus statt Verklärung auch auf der Kinoleinwand ganz wunderbar zusammengehen.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in englischer Original- sowie deutscher Synchronsprachfassung. Deutsche und englische Untertitel sind optional vorhanden. Als Bonus gibt es ein Making of und einen Audiokommentar. „We live in Time“ erscheint bei Studiocanal/Arthaus im Verleih von Plaion Pictures und ist seit 10. April 2025 auch digital erhältlich. (Packshot + stills: © Studiocanal/Arthaus)